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Unbehagen an der Vorherrschaft der Ökonomie

von Dr. Hildegard Stausberg

Die Weltwirtschaft brummte noch wie selten zuvor, als die Initiatoren des "Weltkulturforums" sich vor mehr als vier Jahren in Dresden das erste Mal Gedanken machten, ob und wie man ein "World Culture Forum" gründen sollte. Es war ursprünglich ein enger Kreis, der sich um die beiden Gründungsmitglieder des Dresdner Forums Tiberius scharte, den ehemaligen sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer und den damaligen Chef der Semperoper und jetzigen Generalintendanten der Bremer Bühnen, Hans-Joachim Frey. Beim Gründungssymposium Ende November 2007 hatte sich das allgemeine Unbehagen an der weltweiten Vorherrschaft der Ökonomie schon so verfestigt, dass die damals gut 300 Teilnehmer aus Kultur, Politik, Wirtschaft, Medien und den Kirchen mit ihrem Vorhaben auf ein breites Interesse stießen: Die Frage, welche immateriellen, geistigen Werte eine Gesellschaft zusammenhalten, gewinnt schließlich in Krisenzeiten eine neue Dimension und damit größere Relevanz.

Darauf hatte schon damals Franz Josef Rademacher hingewiesen, der Vorstandsvorsitzende des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung. Er hatte gefordert, dass ein Weltkulturforum vor allem einen allgemeinen Kulturbegriff prägen müsse, dem der "Gedanke der Mäßigung" zu Grunde liegen müsse, da es sonst nicht ausgemacht sei, "dass unsere westlichen Demokratien die Globalisierung überhaupt noch überleben". Visionäre Worte!

An diesem Montag wird Rademacher zusammen mit Frey und dem ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf das Rahmenprogramm für den ersten "Europäischen Kongress für ein Welt-Kulturforum", der Ende Februar in Dresden stattfinden soll, vorstellen. Dafür hat man sich in Berlin die Räumlichkeiten des Auswärtigen Amtes ausgesucht, da der geplante Kongress in zunehmendem Maße auch auf das Interesse der deutschen Diplomaten gestoßen ist. Diese sehen in ihm auch eine gute Fortführungsmöglichkeit des gerade erst zu Ende gegangenen "Jahres des interkulturellen Dialogs". Außerdem bestätigen Kulturreferenten aus den verschiedensten Weltgegenden, dass die Idee eines Weltkulturforums längst auch außerhalb Europas auf einen immer breiteren Kreis von Interessen stößt. Viele hoffen deshalb vielleicht gar nicht zu unrecht, dass ein erfolgreicher Kongress zu einem deutschen "Kulturexportschlager" werden könnte.

Dabei wäre es sicher von Vorteil, wenn auch Meinhard Miegel mit seinem neu gegründeten "Denkwerk Zukunft - Stiftung für kulturelle Erneuerung" bei dem ehrgeizigen Vorhaben weiter mitmachen würde, in die früheren Vorbereitungen war er jedenfalls eingebunden. Miegel ist nicht nur seit langem ein scharfer Analytiker unserer gesamtgesellschaftlichen Lage, sondern auch ein präzise und vor allem provokativ formulierender Mahner. Für ihn steht seit langem fest, dass unsere westliche Kultur sich zu sehr der materiellen Wohlstandsmehrung verschrieben hatte und unter ökonomischen, ökologischen und demografischen Bedingungen nicht so weiter machen kann wie bisher.

Diese Meinung vertritt seit langem auch Kurt Biedenkopf. Er glaubt, dass die Krise für die westliche Welt einen Paradigmenwechsel erzwingen wird, der nur noch vergleichbar ist mit den Erschütterungen, die von der Reformation ausgingen: "Was wir jetzt erleben, ist mehr als eine Krise: Es ist eine existenzielle Gefährdung unserer Demokratie". Der jetzt Ende Februar anstehende Kongress rückt übrigens die Bedeutung der europäischen Städte für die Entwicklung des Kulturellen in den Vordergrund - und zwar sowohl in einer historischen Perspektive als auch für die Zukunft. Er versucht darüber hinaus, aus den Einflüssen außereuropäischer Kulturen auf die Entwicklung Europas ebenso zu lernen wie aus der Ausstrahlung Europas auf die Entwicklung in anderen Teilen der Welt.

Die Welt, 19. Januar 2009